In dieser Woche hat unser kleiner Blog den zehntausendsten Besuch registriert! Zeit für einen Blick auf eine besondere Zahl und ein paar sehr japanische Einheiten.
Zehntausend ist die größte Zahl
Die 10.000 ist in der Kultur Ostasiens die größte Zahl mit einem eigenen Wort – und ein Symbol für die Unendlichkeit. In China heißt sie wàn, im Japanischen wurde daraus je nach Zusammenhang man oder ban. Das Schriftzeichen 万 ist in allen Fällen dasselbe.
Im Krieg stürmten japanische Soldaten oftmals mit lauten “Banzai!”-Rufen auf ihre Gegner. Wörtlich bedeutet das “10.000 Jahre!” und freier übersetzt “Lang lebe der Kaiser!”. Geholfen hat es nichts. Nach dem Sieg über die Japaner wünschte wiederum der chinesische Generalissimo Chiang Kai-shek seiner damaligen Republik “wànsuì”, also ebenfalls die nahezu unendlichen 10.000 Jahre. Kurz darauf vertrieben ihn allerdings die Kommunisten nach Taiwan, um sofort – man ahnt es – die 10.000-jährige Volksrepublik und Solidarität der Völker auszurufen.
Mittlerweile sind derartige Ausrufe fast nur noch in der Populärkultur zu hören, zum Beispiel in herrlich albernen Shows wie Takeshis Castle. Es ist zu hoffen, dass es dabei bleibt.
Die Funktion der 10.000 beschränkt sich aber nicht auf den Wunsch nach der Ewigkeit. Im Westen rechnen wir bekanntlich mit Tausend (und Millionen, Milliarden als Potenzen davon). In Ostasien übernimmt Zehntausend diese Rolle. In Japan kommt noch dazu, dass der Zehntausender-Schein die höchste Banknote ist, mit einem aktuellen Gegenwert von gut 60 Euro. Preise für teurere Dinge werden daher stets in man ausgedrückt. Darf es ein neues Kei Car sein? Gerne, das macht dann 213,4 Zehntausender.
Chinesische statt arabische Ziffern
Das Schriftzeichen für 10.000 (万) ist nicht das Einzige, das die Japaner aus China übernommen haben. Auch für zehn (十), hundert (白) und tausend (千), sowie für alle Ziffern gibt es entsprechende Schriftzeichen: Die ersten drei Ziffern sorgen bei westlichen Sprachschülern gleichermaßen für Erheiterung und Zuversicht: 一、二、三. Ab der Zahl vier ist es damit jedoch schon wieder vorbei: 四、五、六、七、八、九.
In Japan kommen die chinesischen Ziffern häufig noch in Eigennamen vor. Auch in Deutschland schreiben wir ja schließlich nicht 2-Brücken oder 9-Kirchen.
Bei japanischen Adressen wird die laufende Nummer der betreffenden Nachbarschaft ebenfalls mit einem Kanji geschrieben – und auf einer traditionellen Visitenkarte mitunter auch die gesamte Telefonnummer.
Mitsubishi schreibt sich 三菱 und beschreibt damit wortwörtlich die “drei Rhomben”, die das Familienwappen und Firmenlogo zieren.
Système international mit Abweichungen
Bei den Zahlen und ihrer Schreibweise tickt Japan also ein wenig anders als der Westen. Die Einheiten entsprechen aber denen in Kontinental-Europa: Hier wird in Metern, Kilogramm und Grad Celsius gerechnet.
Die Amerikaner haben den Japanern nach dem Krieg viel von ihrer Kultur übergestülpt, nicht jedoch die imperialen Einheiten. Bei Uhrzeiten ist es ihnen immerhin gelungen, etwas Verwirrung zu stiften. Zeitangaben werden in Japan meistens im 24-Stunden-System geschrieben, jedoch oftmals zusätzlich mit AM bzw. PM. Und bei mindestens einem Lokal habe ich auch schon Öffnungszeiten von “17:00 PM – 25:00 PM” gelesen.
Aus der Zeit vor dem Internationalen System haben zwei Einheiten immer noch ihren festen Platz im japanischen Alltag: Traditionelle japanischen Zimmer werden mit Matten aus Reisstroh ausgelegt, den Tatami (畳). Diese werden daher auch als Flächenmaß für Innenräume verwendet. Die davon abgeleitete Einheit jō (auch 畳!) ist allerdings, nun ja, uneinheitlich – abhängig von der Region beträgt sie aber stets ungefähr 1,6 qm. Grundstücksgrößen werden in Japan in tsubo (坪) angegeben, der doppelten Größe eines jō. Mit dem Tatami-“Standard” der Region Nagoya entspricht ein tsubo damit 3,3 qm.
Ihre mathematischen Fähigkeiten beziehen japanische Kleinkinder übrigens aus der gleichen Quelle wie ihre Altersgenossen in Europa oder Amerika: Kaunto (カウント伯爵), der in Deutschland Graf Zahl heißt, beschult auch den japanischen Nachwuchs – offenbar nicht ohne Erfolg: Bei der jünstigen Pisa-Studie schnitten die japanischen Schülerinnen und Schüler in Mathematik von allen Flächenstaaten am besten ab.
Wahrscheinlicher ist natürlich, dass es an den unzähligen Nachhilfeinstituten liegt, in denen japanische Kinder oft bis in den späten Abend pauken müssen: Der wahre Mathe-Schreck, er kommt mit Neonlicht schlimmer als jedes Großraumbüro, und stellt den Eltern monatlich fette Rechnungen.