Wenn es hier in der nächsten Zeit etwas ruhiger wird, hat das einen Grund: Nach dem mir für mein Dependent-Visum eine entsprechende Ausnahmegenehmigung erteilt wurde, habe ich in dieser Woche in Japan die Arbeit aufgenommen: Die Geburt eines Salary Man, wie man hier die Angestellten nennt.
In blütenweißen Hemden stehen sie morgens dicht gedrängt im Zug, die Tasche mit der Bento-Box, dem von der Ehefrau vorbereiteten Mittagessen, eng an sich drückend. Die Tage im Büro sind lang. Die besonders Tapferen arbeiten, bis sie am Schreibtisch einschlafen. Glücklich die Tage, an denen es am Abend mit den Kollegen zum Nomikai, dem Stammtisch geht. Dann fließen Bier und Sake in Strömen, wird beim Karaoke gesungen und spät abends die letzte Bahn nach Hause gejagt. Willkommen in der Welt der Salary Men von Japan!
Der erste Arbeitstag
Der erste Arbeitstag beginnt auch in Japan damit, den Computer und diverse Programme
, Systeme und Accounts ans Laufen zu bringen. In Japan kommt dazu aber noch die feierliche Überreichung eines Bauhelms und einer Umhängetasche. Ersteren zieht man bei einem Erdbeben schleunigst auf den Kopf, während man sich unter den Schreibtisch flüchtet. Letztere enthält eine Wasserflasche und Snacks, die einen – sollte man verschüttet werden – eine Weile versorgen. Über die Katastrophenvorsorge der Japaner haben wir ja schon berichtet.Please log in or register to read this part of the article. Bitte melde Dich an bzw. registriere Dich, um diesen Teil des Beitrags zu lesen.
Zufrieden nehme ich zur Kenntnis, dass die Klimaanlage im Büro sehr vernünftig eingestellt ist. Im Vergleich zu den schwülen 33 Grad außen lässt es sich bei 26 Grad gut arbeiten, ohne dass man gleich eine Lungenentzündung bekommt. Lediglich für die Schokolade, die ich als Gastgeschenk mitgebracht habe, ist das zu warm. Aber die findet im Kühlschrank zwischen den Bento-Boxen Platz.Die Kollegen fangen hier im Vergleich zu Deutschland sehr spät an zu arbeiten. Die meisten tauchen zwischen 9 und 9:30 Uhr auf. Als Vorteil hat man dann mehr Überschneidung mit den Projektpartnern in der Heimat. Nachteilig ist, dass man selbst im Sommer in der Dämmerung den Heimweg antritt.
Die Regelarbeitszeit ist in Japan ähnlich wie in Deutschland. Überstunden sind jedoch üblich, teilweise in exorbitantem Ausmaß und bei manchen Firmen unbezahlt. Auch der Urlaubsanspruch ist im Vergleich überschaubar: Die Japaner haben im Mittel 18,5 Urlaubstage, nutzen davon aber nur durchschnittlich neun (!).
Mit dem Rad zur Arbeit? Ausnahmsweise!
Bei der Vergütung gibt es ähnlich wie (in vielen Branchen) in Deutschland ein Fixum und Urlaubs- sowie Weihnachtsgeld, sowie einen leistungsabhängigen Bonus. Dazu kommen Zuschüsse für das Mittagessen und fürs Pendeln. Wer mit dem Auto oder dem öffentlichen Nahverkehr anreist, erhält Spritgeld bzw. das Ticket erstattet.
Das Pendeln per Rad ist aus Sicherheitsgründen grundsätzlich nicht erlaubt. An Standorten mit wenig Verkehr ist es aber möglich, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen. In dieser verpflichtet man sich, eine Fahrradversicherung abzuschließen und bestätigt, seit zwei Jahren unfallfrei unterwegs zu sein. Den Zuschuss fürs Kettenfett gibt es bei positivem Bescheid dennoch nicht.
Geld ist das Stichwort: Die Lohntüte hat in Japan natürlich auch schon lange ausgedient. Stattdessen gibt man über ein Portal im Intranet eine Kontoverbindung für das Gehalt an. Oder zwei. Denn in Japan ist es nicht unüblich, sich das Entgelt auf mehrere Konten verteilt überweisen zu lassen. Gerüchten zufolge haben die Ehefrauen nicht immer Kenntnis, geschweige denn Einsicht in alle davon…
Keiner geht vor den Kollegen nach Hause
Über die Eigenheiten des japanischen Geschäftslebens berichte ich in einem späteren Artikel. Bis dahin verabschiede ich mich zunächst mit einem Osaki ni shitsureishimasu. Das bedeutet sinngemäß „Entschuldige bitte, dass ich schon gehe“ und ist die rituelle Verabschiedungsfloskel im japanischen Büro. Die ist auch am späten Abend noch fällig und wird von den Kollegen mit einem gönnerhaften Otsukaresama deshita beantwortet: „Wir haben gut zusammengearbeitet.“