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Masters of desasters

Regelmäßig suchen Erdbeben, tropische Stürme und Starkregen Japan heim. Die Japaner haben daher Vorsichtsmaßnahmen und Routinen entwickelt, um diesen – und auch den Gefahren des Alltags – zu begegnen. Es ist also in Japan noch sinnvoller als an anderen Standorten, sich ein wenig mit der Katastrophenvorsorge zu beschäftigen.

Donnerstag, 11. August. Kaum haben wir uns über das heiße Sommerwetter ausgelassen, gibt uns Japan einen Vorgeschmack auf das Wettergeschehen, das sich üblicherweise daran anschließt: Voraussichtlich am Samstag zieht der erste tropische Sturm der Saison über die Region Tokyo. Es ist in diesem Jahr der achte in Japan insgesamt. Bereits seit gestern weht ein kräftiger Wind

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, wie uns die Dichtungen der Balkon-Schiebetüren im sechzehnten Stockwerk unablässig mitteilen. Das ist ein guter Zeitpunkt, einmal auf die To-Do-Liste der Katastrophen-Vorsorge zu schauen.

Die Yurekuru-App – wenn der Wels vor dem Wels warnt

Die häufigen Erdbeben gibt es in Japan aufgrund seiner Lage auf dem Pazifischen Feuerring. Früher führte man die Erdbeben hingegen auf einen riesigen Wels zurück, den Namazu. Da diese Fische Erdbeben vorhersagen können, hielt man sie auch für deren Ursache. Heute ist der Riesenwels daher das Maskottchen der Erdbeben-Warn-App. Und natürlich ist er wie alle Maskottchen in Japan kawaii, also niedlich.

Zwar können Menschen Erdbeben bis heute nicht vorhersagen. Aber weil sie sich “nur” mit wenigen Kilometern pro Sekunde ausbreiten, kann man ausgehend vom Epizentrum andere Regionen über das Internet vor ihnen warnen – mit der Yurekuru-App.

Diese App gehört daher zur Grundausstattung in Japan. Dass sie in der Werkseinstellung bereits vor unmerklichen Erschütterungen der Stufe 1 warnt, ist eine nette Art, um Gaijins wie mir direkt Respekt einzuflößen.

Eintragen bei ELEFAND

Auch die deutsche Katastrophenbürokratie hat ein tierisches Maskottchen. Hinter ELEFAND versteckt sich die “Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland”. In diese Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts kann sich jeder Bürger eintragen, der sich außerhalb der Bundesrepublik aufhält. Das erleichtert im Krisenfall den Informationsfluss und die Koordination weiterer Maßnahmen. Die Registrierung habe ich erledigt, nachdem die Yurekuru-App bereits am Tag der Installation eine erste Erdbeben-Warnung verschickte (niedrigstes Level, eintausend Kilometer entfernt, aber da konnte ich ja noch nicht wissen, dass man davor keine Angst haben muss…).

Freitag, 12.8. Der Tropensturm „Meari“ schickt nun Wolken und vereinzelte Schauer voraus. Laut Prognose wird er am Samstagmittag genau über Yokohama und Tokyo ziehen. Wir sind abends in Shibuya, um ein DJ-Set von Karins ehemaligem Sprachlernpartner anzuhören. Als wir aus dem engen und lauten Keller kommen, verabschiedet uns draußen seine DJ-Kollegin. Es gibt die üblichen Hinweise, auf dem Nachhauseweg vorsichtig zu sein sowie eine zusätzliche Erinnerung vor dem morgigen Taifun. Manche Gepflogenheiten der japanischen Kommunikation haben also auch in der Subkultur ihren festen Platz.

Digitale Notfallmappe

Bei Katastrophen läuft leider längst nicht alles nach den Plänen ab, die sich eine deutsche Bürokratie so wünscht. Da kann der Rucksack mit den Ausweisen beim Camping weggespült werden. Oder er liegt im traditionellen Gästehaus, das nach einem Erdbeben nicht mehr betreten werden darf. Und auch wenn unser Wohnkomplex gerade einmal zwei Jahre alt und für die Ewigkeit gebaut ist: Gegen den Verlust wichtiger Dokumente durch einen Wohnungsbrand hilft auch kein noch so dicker Doppel-T-Träger.

Also war eine der ersten Vorsorgemaßnahmen die Erstellung einer digitalen Notfallmappe. Darin liegen Scans aller wichtigen Ausweise und Dokumente. Auf diese Mappe hat auch unsere Familie Zugriff, für den Fall dass unsere Geräte ausfallen und sie uns etwas daraus zur Verfügung stellen müssen.

Treffpunkt ausmachen für den Notfall

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Vereinbarung eines Treffpunkts für den Fall, dass Kommunikationssysteme nicht mehr zur Verfügung stehen. Unsere Wohnung liegt fast genau in der Mitte unserer Büros. Die Strecke können wir beide im Notfall zu Fuß bewältigen. Und ein Totalausfall ist aufgrund der Bauweise äußerst unwahrscheinlich. Damit war der Treffpunkt also schnell festgelegt.

Jedes Gebäude hat in Japan auch einen Ort, zu dem es evakuiert wird. Um ehrlich zu sein: Ich habe keine Ahnung, wo dieser Sammelpunkt für unseren Wohnturm liegt. Im Zweifelsfall mischen wir uns “unauffällig” in den Strom der Japaner.

Samstag, 13.8. “Meari” ist da. Im Stundentakt ziehen Regenbänder über uns. Die Sicht geht von 20 km auf 100 m. Die Haushaltsvorsteherin ordnet das Schließen der Taifun-Klappe an. Ich muss an den Kaleu in „Das Boot“ denken. A propos Boot, die geplante Kanu-Tour haben wir natürlich abgesagt. Einen Ausflug nach Yokohama riskieren wir aber schon, schließlich kann man das Wochenende nicht verschieben. Wir bezahlen die Abenteuerlust schließlich mit ein paar nassen Schuhen, müssen uns den Zug und die Stadt aber auch nur mit wenigen Menschen teilen.

Versorgung für ein paar Tage

Das Risiko, dass unsere Wohnung unbewohnbar wird, ist also äußerst gering. Dass eine Naturkatastrophe aber zu die Strom- oder andere Versorgungen erheblich stören können, hat die Katastrophe von Fukushima leider gezeigt.

Daher ist es wichtig, sich zu Hause möglichst für ein paar Tage selbst versorgen zu können. Unsere entsprechende Ausstattung ist noch nicht auf Sterne-Niveau, aber es gibt sie. Ein paar große Wasserflaschen und ein Sack Reis reichen im Notfall für ein paar Tage. Und zum Kochen dient der Campingkocher.

Natürlich haben wir auch ein paar Taschenlampen und batteriebetriebene Campingleuchten hier. Und für den Fall, dass das Mobilfunknetz noch funktioniert, freut es uns bestimmt, wenn wir unsere Handys (aber nicht viel mehr) über kleine Solarpanels laden können. Zunächst geht das natürlich auch über die Powerbanks, die man hier besser voll als leer aufbewahrt. Auf die Riesen-Powerbanks, die hier viel beworben werden, verzichten wir hingegen: sündhaft teuer und im Katastrophenfall aus meiner Sicht keine große Hilfe.

Packliste für den Notfall

Die Notfall-Profis haben in Japan stets einen Rucksack fluchtbereit gepackt. Die Bauweise unseres Gebäudes gibt uns dafür hoffentlich etwas mehr Zeit. Jedenfalls habe ich nur eine Packliste verfasst, aber kein fertiges Gepäck. Aktuell ist unser Hausstand ja dermaßen übersichtlich, dass es vermutlich am schnellsten ist, einfach alles in zwei Koffer zu schütten.

Sonntag, 14.8. Der Tropensturm scheint überstanden, denn am frühen Morgen lässt sich sogar ab und zu die Sonne sehen. Zwar sind für den Mittag erneut ausgiebige Regenfälle angekündigt. Morgen werden es aber schon wieder sonnige und schwüle 33 Grad erwartet.

Nennenswerte Schäden gab es in der Region Tokyo nicht. Einige Dutzend Flüge und Zugverbindungen fielen aus. Ein paar tausend Haushalte waren zeitweise ohne Strom. Flächendeckend fielen innerhalb eines Tages 150 mm Regen in zwei Tagen. Nördlich von Tokyo waren es noch deutlich mehr und teilweise 100 mm innerhalb einer Stunde. Das erklärt die andauernden Warnungen vor Erdrutschen, denn der aufgeweichte Boden kann in Japan jederzeit auch noch von einem Erdbeben durchgeschüttelt werden.

Vorsorge durch die Arbeitgeber

Die Krisenvorsorge ist in Japan übrigens keinesfalls eine private Angelegenheit, wie mir Karin von einer Notfall-Führung ihres Arbeitgebers berichtet hat. Oftmals ist der Aufwand dort nicht weniger beachtlich. So kann im Katastrophenfall die gesamte Stammbelegschaft des Standorts für mehrere Tage versorgt und beherbergt werden. Anderes ist dagegen sehr rudimentär organisiert, z.B. die Befehlskette. Auch war nicht auf Anhieb zu erfahren, welche Nummer z.B. bei einem Brand auf dem Gelände anzurufen ist. Bei der Katastrophenbewältigung denken die Japaner offenbar in anderen Dimensionen.

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