In Japan werden die Temperaturen langsam etwas kühler – also im Sinne von „wir können uns zu Hause aufhalten ohne dauerhaft die Klimaanlage laufen zu lassen“. Und auch die Vegetation legt, begleitet von einem Feuerwerk aus Farben und Gerüchen so langsam ihr Herbstkleid an.
Das Parfum des Herbstes
Auf dem Weg ins Büro fiel mir heute an mehreren Stellen ein starker süßlicher Geruch, der ein wenig an reife Nektarinen erinnert auf.
Eine Umfrage unter den Japanischen Kollegen ergab, dass der Verursacher des Geruchs Kinmokusei bzw. Osmanthus Fragrans (zu deutsch „Süße Duftblüte“) heißt. Dieser Duft ist für die Japaner so etwas wie der olfaktorische Vorbote des Herbstes. Man traut den unscheinbaren orangefarbenen Blüten so eine Geruchsintensität gar nicht zu, weshalb die Pflanze hierzulande auch als ein Symbol für Bescheidenheit gilt.
Überhaupt spielen die jahreszeitlichen Veränderungen der Vegetation hier eine große kulturelle Rolle. Grund genug also dem floralen Spektakel einen Blogbeitrag zu widmen.
Ein weiterer Verdächtiger für süßliche Düfte im Herbst ist übrigens die Katsura, die auf Deutsch den passenden Namen Kuchenbaum trägt. Während andere Laubbäume allerhöchstens leicht erdige Gerüche absondern, verströmt das Laub der Katsura im Herbst einen karamellartigen Geruch, der an Lebkuchen oder Zuckerwatte denken lässt. Interessanterweise scheint diesen aber nicht jeder wahrnehmen zu können.
Der Indian Summer von Japan
Natürlich vermeldet in Japan nicht nur der Geruchssinn das Eintreffen des Herbstes. Mit ähnliche Vorfreude wie auf die Kirschblüte erwartet man aktuell die Herbstlaubfärbung des Japanischen Ahorns (Momiji) und des Ginkgos. Ein berühmter Ort um das Herbstkleid des Ginkgos zu bewundern ist die Allee vor der Keio Universität in unserer Nachbarschaft.
Um den Ahorn in seiner vollen Pracht sehen zu können, werden wir etwas weiter rausfahren müssen – zum Beispiel mal wieder zum Takao-san. Ein Ausflug nach Karuizawa oder Nikko ist ebenfalls schon im Gespräch.
Auch die Chrysanthemenblüte im November verdient Beachtung, denn immerhin ist die Chrysantheme das Symbol der Japanischen Kaiserfamilie. Zu sehen gibt es die Chrysanthemen zum Beispiel im Shinjuku Gyoen.
Alles Andere als Grau – Der Winter in Japan
Selbst im Winter stellt die Flora in Japan ihre Reize zur Schau. Die Kamelienblüte (Tsubaki) hat dann ihren großen Auftritt. Am besten bewundert man die Tsubakiblüte auf der formal zu Tokio gehörende Insel Oshima, die man in ca. 2h mit dem Boot erreicht.
So hübsch diese Blüten auch anzusehen sind, haben sie trotzdem nicht das allerbeste Image. Der Grund dafür liegt darin, dass die Tsubakiblüte wenn sie vom Strauch fällt, sich noch in voller Pracht befindet. Dies war schon für die Samurai eine Metapher für eine Enthauptung und damit einen verfrühten Tod. Deshalb sollte man sich auch sehr genau überlegen wem man wann eine Tsubakipflanze schenkt…
Japans Kirschblüten im Frühjahr waren wohl noch nie ein Geheimtipp. Anders sieht es mit den Pflaumenbäumen (Ume) aus. Diese blühen etwas früher als die Kirschen (meist im Februar) und sind daher der wahre Frühlingsbote Japans. Bevor in der Heian Periode die Kirschblüte populär wurde, begann die Hanami Kultur in der Nara Periode mit der Pflaumenblüte. Wer also mit seinem Japanbesuch etwas zu früh dran ist für die Kirschblüte, der kann sich guten Gewissens mit einem Bier (oder vielleicht besser einem Glühwein?) unter einen der vielen Pflaumenbäume im Hanegi Park setzen und die blühende Pracht bewundern.
Zu spät für die Kirschblüte? Kein Problem! – Highlights im Frühling und Sommer
Wer die Kirschblüte knapp verpasst, der kann sich im April/Mai über die oft malerisch von extra dafür aufgestellten Holzgerüsten hängenden Fuji (Wisteria) freuen. Unter diesen lässt es sich fast genauso gut Bier trinken und man fühlt sich direkt weniger Mainstream. Tun kann man dies zum Beispiel am Kameido Tenjin Shrein.
Sobald es im Mai so richtig sommerlich warm wird, gibt es kein halten mehr in der Pflanzenwelt. Die omnipräsenten Ajisai (Hortensien) vertrösten uns über die Regenzeit und der Hochsommer bringt uns die eindrucksvollen Lotusblütenteppiche am Hanchimangu Schrein in Kamakura.
Das feuchtwarme Klima führt dazu, dass sich die Natur jeden Quadratzentimeter, des Großstadtjungels, der nicht asphaltiert ist, mit Macht zurückzuerobern versucht. Angefeuert wird sie dabei von einer Bevölkerung, die dieses Schauspiel in Gedichten, Liedern und nicht zuletzt in ihrer Küche zu würdigen weiß.
Nur Michael mit seiner neu entdeckten Pollenallergie (wir vermuten es handelt sich um Reis) würde sich vielleicht manchmal etwas mehr Zurückhaltung im Pflanzenreich wünschen.